Urbane Mitte Gleisdreieck: Senat zieht gescheiterten Bebauungsplan an sich

Pressemitteilung der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V.

Mit einer Pressemitteilung am Montag, den 3. Juni 2024 hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen verkündet, dass sie das Bebauungsplanverfahren Urbane Mitte Süd an sich zieht, weil der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg es nicht zügig und zeitnah zu Ende führen wolle. Damit spielt die Senatsverwaltung auf Risiko und holt sich einen offensichtlich gescheiterten Planentwurf ins Haus.

Denn der vorliegende Bebauungsplan war von Anfang an mit Fehlern infiziert und wird vor Gericht keinen Bestand haben. Dies sagt das Gutachten, das Rechtsanwalt Dr. Philipp Schulte im Auftrag der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V. und der Naturfreunde Berlin e.V. erstellt hat, ebenso wie das weitere Gutachten, das der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bei Rechtsanwalt Prof. Dr. Jörg Beckmann in Auftrag gegeben hatte.

Beide Gutachten bestätigen, dass die Grundzüge der Planung auf einer unzulässigen vertraglichen Vorabbindung basieren. Der im städtebaulichen Vertrag von 2005 vorgesehene Entschädigungsmechanismus widerspricht dem §1 Absatz 3 des Baugesetzbuches, nach dem eine Kommune den Beschluss eines Bebauungsplans gegenüber einem Investor nicht durch Vertrag versprechen darf, weil dann eine gerechte Abwägung durch die zuständigen frei gewählten Stadtparlamente nicht mehr möglich wäre.

Dazu kommt der willkürliche Umgang mit den Umweltgutachten, die die katastrophalen Auswirkungen der sieben Hochhäuser auf die Aufenthaltsqualität im Park und in der Umgebung belegen. Die ökologische Funktion des Gleisdreiecks als Ausgleichsfläche für die Bauten am Potsdamer und Leipziger Platz würde durch die Hochhäuser stark beeinträchtigt.

Auf Grund der Rechtsgutachten hatte die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg Ende Januar 2024 dann zu Recht beschlossen, das von Anfang fehlerhafte Verfahren von Grund auf neu aufzurollen:

. . . das Vorhaben nach städtebaulichen Kriterien zu prüfen und in einem ergebnisoffenen Prozess unter Einbeziehung von fachkundigen Expert*innen und der Zivilgesellschaft die Planung der Bebauung den aktuellen Bedarfen (z.B. bezahlbares Wohnen, soziale Infrastruktur, Grünflächenerhalt) und klimapolitischen Notwendigkeiten anzupassen. . . .“

Zur Umsetzung haben die Bezirksverordneten eine interfraktionelle Arbeitsgruppe gegründet, die bereits eine Planungswerkstatt vorbereitet. Es geht dabei darum, alternative, an den tatsächlichen Bedarfen orientierte Planung für die aktuell unbeplanten Außenbereichsflächen ohne Baurecht zu entwickeln. Diesen Beteiligungsprozess möchte die Senatsverwaltung nun offensichtlich abwürgen, um dem Investor zu seinen Büroflächen zu verhelfen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Bezirk dennoch an seinem richtigen Beschluss festhält und die versprochene Beteiligung ermöglicht, indem er die bereits beschlossene Planungswerkstatt weiterhin durchführt.

Der Senat dagegen will die uralte und aus der Zeit gefallene Planung durchziehen und ein Stück Potsdamer Platz mitten im Gleisdreieck herstellen lassen: 90 m hohe Gebäude, dort wo der Park nur 60 m breit ist, 119.000 m² Geschossfläche, 70% Büro, 30 % Kommerz, 100 % Versiegelung, Missachtung des Denkmalschutzes, Missachtung des Klimaschutzes. Wer braucht so etwas?

Die Senatsverwaltung verteidigt das aus der Zeit gefallene Konzept mit unlauteren Argumenten. Da heißt es, der Vorhabenträger habe bereits erhebliche Vorarbeiten für den Bezirk geleistet. Richtig ist jedoch, dass der Vorhabenträger der Urbane Mitte keinen Cent für den Gleisdreieck-Park aufgewendet hat, diesen jedoch gerne als Vorgarten vor seinen Hochhäusern sehen würde. Weiter ist die Rede von Vertrauensschutz. Als Staatsekretär hatte Herr Gaebler schon die Zahl von 150 Mio. € als Schadensersatz in Umlauf gebracht – also ungefähr die Summe, die im Share-Deal im Herbst 2020 geflossen ist, als aus der Urbane Mitte Besitz GmbH mit Sitz in Berlin die Urbane Mitte Besitz S.à.r.l. mit Sitz in Luxemburg wurde. 2014 war das Grundstück von der VIVICO noch für 7,8 Mio. € an eine zur COPRO-Gruppe gehörende GmbH verkauft worden. Der immense Spekulationsgewinn von über 2000% soll offensichtlich Vertrauensschutz genießen.

Ob die Bürger ebenso darauf vertrauen können, dass ihre Argumente im Bebauungsplanverfahren von der Senatsverwaltung gerecht abgewogen werden?

5 Kommentare

  1. Was passiert denn nun als nächstes? Wird gegen diesen Beschluss geklagt werden? Benötigt ihr dazu Spenden? Solcher Willkür muss vor Gericht begegnet werden. Je länger dieser Irrsinn dadurch verzögert werden kann, desto teurer wird es für den Investor. In den USA gehen reihenweise Firmen zugrunde, die auf Gewerbeimmobilien gesetzt haben. Durch Home office werden solche Gebäude nicht mehr benötigt. Es ist also nur eine Frage von etwas Zeit, bis denen das Geld ausgeht.

  2. Ich bin entsetzt aber nicht überrascht über diese diktatorische Entscheidung des Senats. Praktizierter Immobilienlobbyismus!!! Das müssen wir verhindern!!!!

  3. überrascht nicht. Ja, vermutlich kann auch hier der Bürgerwille/ Umweltschutz gegenüber dem ach so demokratischen Staat, der sich am Gängelband der Investorenlobbyisten führen lässt, nur per Gericht eingeklagt und durchgesetzt werden. Bestes Beispiel die ganzen Klagen der Deutschen Umwelthilfe.

  4. wir vom westkreuzareal befürchten euer schicksal ebenfalls ertragen zu müssen
    gestern war Gaebler bei uns: nur halbwahrheiten zur urbanen mitte und zum stadteingang west.
    am 20.6. kommt eine gäbler vertretung in den stadtentwicklungsausschuß und wird uns wieder die litanei der hochhäuser am bhf westkreuz und die vorteile des schneller bauen gesetzes predigen
    dem bezirk hat er erst gar nicht das planungsrecht entziehen müssen, er hat es von vornherein bei sich behalten.

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