Der Gleisdreieckpark ist mehr als nur eine Grünfläche – die Errichtung der sieben Hochhäuser würde das Gefühl von Heimat und Beständigkeit erschüttern

Wir dokumentieren im folgenden die E-Mail eines Anwohners, in der er eindringlich und anschaulich wie kaum ein anderer den Abgeordneten Auswirkungen des Bauvorhabens Urbane Mitte auf das Leben im Park beschreibt. Im Anschluss an die E-Mail folgt eine Antwort aus der SPD-Fraktion sowie die Antwort von Katrin Schmidberger, Abgeordnete für die Grünen.

„Berlin, den 20.08.2025

Sehr geehrte Damen und Herren, 

als Anwohner des Gleisdreieckparks seit über 40 Jahren und Psychologe wende ich mich heute an Sie, um meine tief empfundene Sorge über die geplante Bebauung des Parks mit sieben Hochhäusern zu äußern. Der Gleisdreieckpark ist mehr als nur eine Grünfläche; er ist ein Ort, wo Menschen jeden Alters, aus unterschiedlichen Kulturen, aus nah und fern zusammenkommen, um eine friedliche Atmosphäre zu schaffen, die vielen als Rückzugsort dient. Der Gleisdreieckpark ist aus meiner Beobachtung zum beliebtesten Park in Berlin geworden. 

Die Bebauung mit den 7 Betonhochhäusern würde den Charakter und die Nutzung des Parks aus meiner Sicht grundlegend ändern. 

Der Park bietet einen Raum für sportliche Aktivitäten, entspanntes Spazierengehen und ein harmonisches Miteinander. Hier kann man die gelebte Erfahrung machen, dass tatsächlich jede/r auf seine oder ihre Weise glücklich sein kann. Viele Anwohner empfinden den Gleisdreieckpark als festen Bestandteil ihrer Lebensgeschichte. Er ist der Ort, an dem sie Freunde gefunden, Familienfeste gefeiert und kleine Alltagstraditionen gepflegt haben. Die Errichtung der Hochhäuser würde das Gefühl von Heimat und Beständigkeit erschüttern.

Hier gab und gibt es kaum Gewalt oder Drogenprobleme. Hier finde ich ein gelebtes Mit- und Nebeneinander ohne Aggression und Vorurteilen. Ein Stück gelebte Demokratie. 

Die geplante Bebauung würde nicht nur das Binnenklima des Parks erheblich verändern und Einfluss auf die Vegetation und die CO2-Werte haben, ihn auch total verschatten, sondern auch seinen Charakter und seine einzigartige (soziale und emotionale) Atmosphäre zerstören. Hochhäuser verkörpern oft die Kälte des Kapitals, was dem sozialen und vielfältigen Wesen des Parks entgegensteht.

Bitte berücksichtigen Sie den emotionalen Wert dieses städtebaulichen Juwels und die Bedeutung, die er für die Menschen in Berlin hat. Für viele Menschen ist der Park ein emotionaler Ankerpunkt: Er weckt Kindheitserinnerungen, bietet Raum für meditative Spaziergänge und schafft Rituale – vom Sonntagsfrühstück im Gras bis zum Freiluftkonzert im Sommer. Diese stark positiven Emotionen lassen sich nicht einfach verschieben oder ersetzen. Er ist für die meisten, wie für mich eine Art emotionale Heimat und Identität geworden. Er bietet auch einen gewissen Schutz vor der Anonymität der Großstadt.

Der Gleisdreieckpark fungiert als sozialer Katalysator. Er erleichtert spontane Begegnungen zwischen Nachbarn, Familien, Sportgruppen und internationalen Besuchern. Diese informellen Kontakte stärken das Vertrauen und die Solidarität in der Nachbarschaft, verringern Einsamkeit und fördern das soziale Kapital Berlins. Das kann man als ständiger Benutzer des Parks spüren. Dadurch fördert er auch Diversität, Toleranz und Inklusion, wirkt sozial präventiv gegen Isolation, stärkt in Gewisserweise das Gemeinschaftsgefühl.

Wir alle kennen die städtebaulichen Sünden der vergangenen Jahrzehnte, gerade in Berlin.

Bitte berücksichtigen Sie auch den immateriellen Wert dieses Parks: Er ist ein Rückzugsort, an dem psychisches Wohlbefinden und soziales Miteinander auf natürliche Weise entstehen. Statt hochherrschaftlicher Kälte schlage ich vor, alternative Standorte für Bürohochhäuser (wenn überhaupt nötig?) zu prüfen und die einmalige Atmosphäre des Gleisdreieckparks dauerhaft zu bewahren.

Im freien Blick über die weiten Rasenflächen entstehen Momente, in denen wir über unsere eigenen Grenzen hinausdenken können. Diese psychische Weite fördert Kreativität, Selbstvertrauen und Lebensmut. Hochhäuser symbolisieren das Gegenteil: Enge, Kontrolle und Leistungsdruck.

Gerade in einer Metropole wie Berlin geben uns Parks das Gefühl, gesehen und nicht übersehen zu werden. Jeder kennt hier seinen Stammplatz, die Lieblingsbank und das freundliche Gesicht der Parkaufseher. Hochhäuser führen zur Anonymisierung und zerstören diese Form lokaler Verbundenheit.

Machen Sie sich nicht mitschuldig an der Verschandelung des Parks durch diese Hochhausmonster. 

Ich schlage vor, dass Sie sich selbst den Park anschauen, darin verweilen, wahrnehmen, wie er genutzt und geliebt wird, so wie er ist. Sprechen Sie mit den Nutzern, was er ihnen bedeutet, und stellen Sie sich dann sinnlich vor, wie es mit diesen 7 Hochhäusern wäre….. Ich wäre mir dann sehr sicher, wie Sie sich vor Ihrem Gewissen (trotz möglicher Parteidisziplin) entscheiden würden…. 

Besuchen Sie also den Park, verweilen Sie an einem sonnigen Nachmittag und spüren Sie selbst die Kraft dieses Ortes. Ihre Stimme kann ein Zeichen setzen für eine Stadtpolitik, die die Bedürfnisse ihrer Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellt.

Wie gesagt: Nach dem Bau der Hochhäuser ist der Park nicht mehr derselbe!!

Mit freundlichen Grüßen,

K. E., Parkanwohner und Psychologe und täglicher Benutzer des Gleisdreieckparks“

Es gibt nun inzwischen eine Antwort aus der SPD-Fraktion, die an diesen und weitere E-Mail-Schreiber*innen gesandt wurde und die hier wir leider nicht im Original veröffentlichen können. In der E-Mail heißt es, aus umwelt- und klimapolitischer Sicht sei das Anliegen sehr nachvollziehbar. Der drohende Verlust einer Frischluftschneise sei hier im konkreten Fall ein großes Problem. Jedoch seien die maßgeblichen Entscheidungen zum Bauvorhaben bereits gefallen und politisch könne nur noch begrenzt Einfluss genommen werden. Die Handlungsspielräume seien leider sehr eng, da vertragliche Verpflichtungen bestünden, die nicht einfach aufgekündigt werden könnten. Die Nachfrage per E-Mail, inwiefern „die maßgeblichen Entscheidungen zum Bauvorhaben bereits gefallen sind” – wo doch die finale Abstimmung über den Bebauungsplan noch aussteht – blieb unbeantwortet.

Im Folgenden dokumentieren wir auch die Antwort aus der Fraktion Bündnis90/Grüne von Katrin Schmidberger, die ebenfalls an mehrere E-Mail-Schreiber*innen gesandt wurde.

„Sehr geehrte . . . ,

erst einmal danke ich Ihnen herzlich für Ihre E-Mail bzw. Ihr Engagement gegen die geplante Bebauung am Gleisdreieckpark. Ich teile Ihre Kritik: Stadtentwicklung darf nicht länger zum Spielfeld für Investor*innen werden, sondern muss sich an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort orientieren.

Die aktuellen Pläne für sieben Bürohochhäuser am Gleisdreieck sind stadtentwicklungspolitisch wie klimapolitisch völlig aus der Zeit gefallen. In Zeiten sich zuspitzender Klimakrise, zunehmender Hitzeperioden und massiven Flächenverbrauchs braucht es keine versiegelten Hochhaustürme, sondern grüne Rückzugsorte, sozialen Wohnraum und Flächen für Kultur, Bildung und Gemeinwohl.

Dass der Senat dennoch unbeirrt an diesem Vorhaben festhält – obwohl in der Stadt bereits massiver Leerstand bei Büroflächen herrscht – zeigt deutlich, wessen Interessen hier im Vordergrund stehen. Totz ca. 1,8 Mio. Quadratmeter Leerstands will der Senat Bürobauten weiter vorantreiben. Für weitere Informationen dazu verweise ich gerne auf eine aktuelle Schriftliche Anfrage: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-22953.pdf

Es wird am Bedarf und an den Bezirken vorbei gebaut – zum Schaden der ganzen Stadt. Leider ist das kein Einzelfall: Ob bei der Urbanen Mitte, beim Bau eines Hochhauses an der Warschauer Brücke in Friedrichshain oder überflüssigen Hotelneubauten – immer wieder wird bezirkliches Handeln ausgehebelt, sobald es nicht mit der renditegetriebenen „Investoren“logik übereinstimmt.

Besonders bitter ist in diesem Fall: Der Bezirk hatte durchaus Spielräume erkannt und nutzen wollen. Ein von der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck und den Naturfreunden initiiertes Rechtsgutachten hat gezeigt, dass städtebauliche Änderungen ohne Entschädigungszahlungen möglich sind. Das hat die Tür geöffnet für eine echte Neuverhandlung der Pläne – im Sinne von Klima, Anwohner*innen und Gemeinwohl. Umso skandalöser ist es, dass der Senat diesen Weg durch einen Zuständigkeitsentzug blockiert – erst beim Baufeld Süd, jetzt auch beim Baufeld Nord.

Jetzt liegt der Bebauungsplan für die Urbane Mitte Süd beim Abgeordnetenhaus, im zuständigen Fachausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Dort werden wir Grüne weiterhin deutlich machen: So wie geplant, darf dieses Projekt nicht umgesetzt werden. Wir stehen für ein Umdenken – hin zu klima- und sozial gerechter Stadtentwicklung. Und das bedeutet auch: keine Türme, die nur Rendite versprechen – sondern Räume, die den tatsächlichen Bedarfen der Stadt gerecht werden. Auch weil ich Wahlkreisabgeordnete für die angrenzenden Kreuzberger Gebiete bin, weiß ich, dass viele im Bezirk dieses Projekt kritisch sehen, auch weil es Raumnot für viele Bedarfe gibt und wir schon lange unter Immmobilienspekulation leiden. Hier werde ich auch als Wahlkreisabgeordente weiter für die Bedürfnisse der Mieter*innen kämpfen.

Ich danke Ihnen – und allen, die sich engagieren – ganz ausdrücklich für Ihren Einsatz. Bitte bleiben Sie laut, beharrlich und sichtbar. Und bitte wenden Sie sich auch an die Abgeordneten von SPD und CDU, denn nur wenn auch Mitglieder der Regierungskoalition unsere kritische Sicht teilen, kann es zu einer Änderung der aktuellen Planungen für die Urbane Mitte kommen und Schlimmstes verhindert werden.

Für weitere Fragen und Anregungen stehe ich gerne zur Verfügung.

Ihnen alles Gute und herzliche Grüße

Katrin Schmidberger

PS: Einen Überblick zu allen Entwicklungen rund um die Urbanen Mitte in den letzten Jahren finden Sie auch auf der Webseite unserer grünen Fraktion im Bezirksparlament: https://gruene-fraktion-xhain.de/gleisdreieckpark-und-die-urbane-mitte-ein-ueberblick/

Katrin Schmidberger, MdA
Sprecherin für Wohnen und Mieten“

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