Gefährden die Hochhäuser der Urbanen Mitte den Nord-Süd-S-Bahntunnel, den U-Bahnhof Gleisdreieck und den Fernbahntunnel?

Kürzlich berichtete der Spiegel , welche Gefahren vom noch nicht fertig gestellten Elbtower auf die benachbarten Bahnanlagen ausgehen. Noch sind erst 100 m der geplanten 245 m Hochhaushöhe erreicht, doch durch die Setzung der Bauruine haben sich inzwischen alarmierende Verschiebungen bei den benachbarten Brückenköpfen der Bahn ergeben. Die Arbeiten sind seit Oktober 2023 gestoppt.

Der Spiegel berichtete darüber

https://www.spiegel.de/wirtschaft/hamburg-bau-des-elbtowers-birgt-offenbar-groessere-risiken-als-gedacht-a-8c8623c1-a535-4e0d-9576-b0225cac31db

Offenbar steht es auf der Kippe, ob die Bahnanlagen dauerhaft gesichert werden können, oder ob das halb fertige Hochhaus wieder abgerissen werden muss und wer dann auf den Kosten sitzen bleibt.

Beim Elbtower sind es Brücken der Bahn über die Norderelbe und den Billhafen. Beim Gleisdreieck wären ebenso wichtige Verbindungen betroffen.

Die fünf geplanten Hochhäuser im nördlichen Baufeld befinden sich auf einem schmalem, bis zu 65 m breiten Streifen zwischen dem Viadukt der U2 und dem Fernbahntunnel. Die beiden 90 m hohen Türme sollen mit wenigen Metern Abstand zum Stahlviadukt der U1 stehen. Die U1 quert das Grundstück in Ost-West-Richtung, Stützen mit Fundamenten des Viadukts befinden sich auf dem Baugrundstück, das vollflächig mit einer Tiefgarage unterbaut werden soll. In der „Ebene Plus 1“, also ca. 4 bis 5 m über dem vorhandenen Niveau, soll das Grundstück in Nord-Süd-Richtung von der zukünftigen S-Bahnlinie S21 durchfahren werden.

Bei 90 Meter hohen Türmen müssen Stützpfähle oder -wände wahrscheinlich 30 Meter und mehr in die Tiefe gebaut werden. Die Baugruben werden mindestens 10 m tief, für die zwei Kellergeschosse der Tiefgaragen. Wenn da etwas schief geht, wären möglicherweise die Fern- und Regionalbahn, die S-Bahn S1,S2, S25 und S26 sowie U1 und U2 betroffen. Wer kann das verantworten, bzw. den Schaden bezahlen?

Beim Bau des angrenzenden, 5,884 km langen S-Bahntunnels zwischen Yorckstraße und Humboldthain Mitte der 1930er Jahre gab es noch keinen Unterwasserbeton – der Tunnel wurde mit gegenüber heutigem Beton weniger festem Zement errichtet und von außen mittels Bitumenbahnen abgedichtet. Diese Konstruktion ist natürlich in den letzten Jahrzehnten gealtert und rissempfindlich, zudem erlitt der Tunnel am Ende des Zweiten Weltkriegs durch Kampfhandlungen und die Sprengung der Tunneldecke unter dem Landwehrkanal schwere Schäden. Mitte der 1990er Jahre wurden im Tunnel aufgetretene Risse mit Kunstharz verpresst. Trotz dieser Abdichtungen bleibt der Tunnel rissempfindlich, insbesondere wenn (auch nur geringe) Setzungen eintreten!

Berlin musste hier leidige Erfahrungen machen, so als Anfang der 1990er Jahre beim Aushub einer Baugrube an der Friedrichstraße aufgrund starker Rissbildung der U6-Tunnel gesperrt werden musste, oder beim Bau der „Mall of Berlin“ am Leipziger Platz, als die U2 lange unterbrochen war. Zwar wurden die reinen Tunnelschäden von den verantwortlichen Bauunternehmen ersetzt, jedoch nicht der volkswirtschaftliche Schaden aufgrund monatelanger Umleitungen für die Fahrgäste.

Zum Wassereinbruch am U2-Tunnel Leipziger Platz siehe z.B.:

https://www.berliner-kurier.de/archiv/wasser-einbruch-am-u2-tunnel-u-bahn-berlin-katastrophe-li.1802067

Beim 1918 gebauten, 865 m langen Verbindungstunnel zwischen der U8 und der U5 (sog. Waisentunnel) sind die Tunnelschäden inzwischen so gravierend, dass er abgerissen und neu gebaut werden muss.

Der Versuch herauszubekommen, wie die Vermeidung bzw. ggf. die Behebung von Schäden an Bahnanlagen aufgrund von Bauarbeiten der Urbanen Mitte geregelt ist, endete in einer Sackgasse. Per IFG (Informationsfreiheitsgesetz) stellte Matthias Bauer den Antrag auf Einsicht in den Sicherungs- und Gestattungsvertrag, der zwischen der Deutschen Bahn und der Urbanen Mitte Besitz S.à.r.l. abgeschlossen wurde.

Link zur Anfrage Sicherungs-und Gestattungsvertrag – FragDenStaat

Nach mehrfachem Hin-und-Her hieß es:

Die Urbane Mitte Besitz S.à.r.l. qualifiziert die mit der vormaligen DB Netz AG (heute: DB InfraGO AG) geschlossene nachbarschaftliche Vereinbarung als schutzbedürftiges Betriebs- und Geschäftsgeheimnis und hat daher die erforderliche Zustimmung zur Herausgabe verweigert.

Auch das Bauvorhaben auf dem südlichen Baufeld hat Einfluss auf die Bahn, nämlich auf den hier viergleisigen Tunnel von S1 und S2, weiter oben schon erwähnt als Tunnel zwischen Yorckstraße und Humboldthain. Der Tunnel selbst darf nicht überbaut werden. Aber die zweigeschossige Tiefgarage soll bis auf einen Meter an den Tunnel heranrücken können:

“Die Bebauung ist so auszuführen, dass die Instandhaltung der Anlagen der Deutschen Bahn Netz AG (erforderliche Instandsetzungsmaßnahmen einschließlich eines erforderlichen Ersatzneubaus der Eisenbahnanlage) nicht beeinträchtigt wird. Dazu ist ein horizontaler Abstand von mindestens 1,0 m und ein vertikaler Abstand von mindestens 1,9 m einzuhalten. Zur Eisenbahnanlage gehört auch im Baugrund verbliebener Verbau. Die Abstände gelten für sämtliche im betreffenden Bereich befindlichen Eisenbahnanlagen.”

Bebauungsplan VI-140cab Urbane Mitte Süd, Stand: 25. Februar 2025, Seite 165 von 653.

Man fragt sich, warum die Bahn bei ihrem sensiblen, 86 Jahre alten Bauwerk nur einem Meter Abstand verlangt?

Zu diesem Baufeld wird zumindest eine Nachbarschaftsvereinbarung zwischen Bahn und den Investoren im Textteil des Bebauungsplans zitiert. Danach gilt Beweisumkehr. Wenn ein Schaden passiert, muss nicht die Bahn beweisen, wer der Urheber war, sondern die Bauherren der Urbanen Mitte wären in der Beweispflicht und müssten gegebenenfalls für den Schaden aufkommen, bzw. deren Versicherung. Auszug:

§2 Risikofreistellung der Bahn
Der Bauherr stellt die Deutsche Bahn von allen erforderlichen und angemessenen Kosten und Risiken frei, welche im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben ‚Baugrundstück Süd‘ entstehen.

§3 Haftungsumfang und Beweislastumkehr
Weist die Deutsche Bahn nach, dass ihr ein Schaden an der Eisenbahninfrastruktur nach Beginn der Baumaßnahmen auf dem ‚Baugrundstück Süd‘ entstanden ist, trägt der Bauherr die Beweislast dafür, dass der Schaden nicht durch die Baumaßnahme entstanden ist.

Bebauungsplan VI-140cab Urbane Mitte Süd, Stand: 25. Februar 2025, Seite 234 von 653.

Aber: wenn hier etwas passiert wie beim Bau des Hochhauses am Alex, wären täglich bis zu 300.000 Fahrgäste betroffen! Deren Schaden würde keine Versicherung übernehmen.

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