Bauen ohne CO2-Emissionen – ist das möglich? Gespräch über Klimaanpassung und Klimaschutz mit den Architects for Future

Bei Aprilwetter im August über den Klimawandel Erderwämung zu sprechen, war eine besondere Herausforderung am Sonntag, den 6. August beim Treffen am Bauzaun. Denn kurzfristige Wetterwechsel lassen die langfristige Entwicklung manchmal aus dem Blick geraten. Doch Schmuddelwetter in Nordeuropa und gleichzeitige Hitzerekorde und Waldbrände im mediterranen Raum sind wahrscheinlich beides Auswirkungen der weltweiten Klimaveränderungen. Trotz starken Regens waren doch einige Besucher:innen gekommen und die RBB-Abendschau hat einen kleinen Beitrag gemacht.

Die wichtigsten Passagen unseres Gesprächs sind hier kurz zusammengefasst:

Die Eingangsfrage an die Architects for Future lautet, welchen Anteil die Bauindustrie an der Erderwärmung hat.

Die Verantwortung der Bauindustrie für den Klimawandel ist immens, berichtete Isabel von den A4F. Die Bauindustrie ist verantwortlich für 40 % der globalen CO2-Emissionen, für ca. 60 % deutsches Abfallaufkommen und 90% mineralischer Ressourcenverbrauch.

Sidefact: Allein die Herstellung von Zement ist für dreimal soviel CO2-Emissionen (10 Prozent vom Gesamtanteil) verantwortlich, wie der gesamte globale Flugverkehr.

Frage: Im Juni 2023 haben wir mit einem Plus von 1,37 Grad schon fast die in Paris als möglichst nicht zu überschreitende Marke von 1,5 Grad erreicht. Schon jetzt ist sehr wahrscheinlich, dass wir die 1,5 Grad überschreiten werden. Wir müssen nicht nur über Klimaschutz sondern auch über Klimaanpassung sprechen. Was bedeutet es, wenn in der Frischluftschneise zwischen Tiergarten und südlichen Stadtrand sieben Hochhäuser und mit Tiefgaragen die Fläche zu 100% versiegelt wird?

Ida von den A4F macht darauf aufmerksam, dass die Hochhäuser einen riesigen Unterbau benötigen. Bei 90 m hohen Hochhäusern müssen die Fundamente wahrscheinlich ca. 30 m tief in den Boden reichen. So entstehe ein riesiges unterirdisches Volumen, das kein Wasser mehr aufnehmen könne. Bei Grundfläche 1,6 ha der geplanten Bebauung mal ca. 30 m Tiefe würden 480.000 m³ versiegelter Bodenraum entstehen , der dann kein Wasser mehr aufnehmen kann (zweimal Kölner Dom oder 900.000 Badewannen). Das anfallende Wasser dann auf den Nachbargrundstücken zu versickern, sei nicht im Sinne der Schwammstadt.

Zur Frischluftscheise wurden zwei Abbildungen herumgegeben. Eine der Abbildung stammte von 1993 aus den Umweltgutachten zu den Bebauungen Potsdamer Leipziger Platz, die zweite aus dem Klimamodell Berlin von 2015. Beide Karten belegen die Bedeutung des Gleisdreiecks für das Stadtklima.

Frage: Im Entwurf für den Bebauungsplan ist vorgesehen, dass nach Schaffung von Baurecht ein Realisierungswettbewerb stattfinden soll, mit dem Lösungen zu treibhausgas-neutralem bzw. sogar treibhaus-negativem Bauen gefunden werden sollen. Bauen ohne CO2 – ist das möglich?

Das einzige klimaneutrale Gebäude, dass es gibt, ist das, das nicht gebaut wird.

Sobald Transport für Baumaterialien anfällt, wird CO2 ausgestoßen. Die Negativ-Anrechnungswerte von Holz-Baumaterialien gehen davon aus, dass es ein Potenzial für die Wiederverwendung oder Recycling für Holz gibt. Dieses Potenzial, kann aber nicht in Form einer Gutschrift erfolgen, da es keine Gewährleistung für diese Form der Kaskadennutzung nach der Nutzungsdauer des Gebäudes gibt. Ein Verrechnung der CO2-Emmission der Herstellung von Stahlbeton mit negativen CO2-Emmisionen durch den Einbau von Holz wäre nicht konform mit den Normen der Ökobilanzierung.

Momentan existiert keine Wiederverwendung von Altholz.Dieses wird bisher einer thermischen Verwertung zugeführt und dann tritt das CO2 ja wieder aus. Ein Plus-Energie-Haus z.B. ist nur in einem sehr kleinen Maßstab möglich, indem die Einspeisung von selbst produziertem grünem Strom als Gutschrift angerechnet wird, dies betrifft aber nur den Bereich der Gebäudetechnik und nicht die bereits verbaute sog. Graue Energie, die bei der Herstellung, Transport und dem Abbau von Baumaterialien entsteht.

Ein treibhaus-negatives Gebäude ist mir den heutigen Bautechniken noch nicht möglich.

Ein Kommentar

  1. Der Gleisdreieck-Blog berichtete am 16.8.23:

    ( https://gleisdreieck-blog.de/2023/08/16/gespraech-ueber-klimaanpassung-und-klimaschutz-mit-den-architects-for-future/ ):

    “ …. Die Eingangsfrage an die Architects for Future lautet, welchen Anteil die Bauindustrie an der Erderwärmung hat.

    Die Verantwortung der Bauindustrie für den Klimawandel ist immens, berichtete Isabel von den A4F. Die Bauindustrie ist verantwortlich für 40 % der globalen CO2-Emissionen, für ca. 60 % deutsches Abfallaufkommen und 90% mineralischer Ressourcenverbrauch.

    Sidefact: Allein die Herstellung von Zement ist für dreimal soviel CO2-Emissionen (10 Prozent vom Gesamtanteil) verantwortlich, wie der gesamte globale Flugverkehr.
    ….

    Frage: Im Entwurf für den Bebauungsplan ist vorgesehen, dass nach Schaffung von Baurecht ein Realisierungswettbewerb stattfinden soll, mit dem Lösungen zu treibhausgas-neutralem bzw. sogar treibhaus-negativem Bauen gefunden werden sollen. Bauen ohne CO2 – ist das möglich?
    ….

    Ein treibhaus-negatives Gebäude ist mir den heutigen Bautechniken noch nicht möglich. … “

    —-

    Am 31.7.23 schrieb ich

    ( https://gleisdreieck-blog.de/2023/07/31/architects-for-future-e-v-zur-gast-am-bauzaun-zur-urbanen-mitte/comment-page-1/#comment-20135 )

    über die Siedlung “Möckernkiez“, in der ich wohne:

    “ …. Laut Berechnungen der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen werden bei einem konventionellen Neubau bis zu 800 Kilogramm CO2 ausgestoßen – pro Quadratmeter.
    ….

    Wenn ich nun diese Zahl (800 Kg CO2 / m2) hochrechne auf die Gebäude der Siedlung Möckernkiez, in der ich wohne, und die weitgehend konventionell, also z. B. weitgehend ohne Holzbauten, gebaut wurde, komme ich zu folgenden Zahlen:

    Bruttogeschossfläche (BGFa) 68.043 m² mal 800 Kg CO2 / m2 = 54.434.400 Kg CO2,

    also schätzungsweise 54.434 Tonnen CO2

    wurden emittiert durch den Bau der Siedlung Möckernkiez eG.

    Und da sind noch nicht mal die Außenanlagen (Kiezstraßen und -platz, große Treppe mit Fahrrad-Rampe aus Beton zur Yorckstraße) enthalten. … “

    —-

    Es gibt Schätzungen, die noch teurer ausfallen:

    DER SPIEGEL vom 05.08.2023: „»Ich bin kein Betonkopf«

    Dominik von Achten, 57, CEO des Baustoffkonzerns Heidelberg Materials (früher: Heidelberger Zement), über klimaneutralen Zement und die schwierige Rolle als CO 2 –Großverursacher
    ….

    SPIEGEL: Wenn es ums Klima geht, wird viel über Kohle, Tempolimit und Inlandsflüge geredet. Dass die Zementherstellung weltweit etwa acht Prozent der CO2-Emissionen verantwortet, ist den meisten nicht bewusst. Ganz angenehm für Sie als Verursacher, oder?

    Von Achten: Wir sind ein großer Emittent, zweifellos. Insofern haben wir einen großen Hebel, um die Klimaziele zu erreichen. Schon 2024 geht die CO2-Abscheideanlage in unserem Werk im norwegischen Brevik in Betrieb. Dort werden wir dann vollständig dekarbonisierten Zement herstellen.

    ….
    SPIEGEL: Heidelberg Materials hat 2022 rund 65 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Nimmt man wie das Umweltbundesamt an, dass jede Tonne CO2 rund 200 Euro Klimakosten verursacht, dann richten Sie jährlich 13 Milliarden Euro Schäden an. Können Sie noch ruhig schlafen?

    Von Achten: Ich halte solche Rechnungen für problematisch, dahinter stecken viele Annahmen, über die man triftig streiten kann. Fakt ist: Wir wollen unseren CO2-Fußabdruck so schnell wie möglich senken. Aber dafür braucht es auch schnellere Genehmigungsverfahren und eine Anschubfinanzierung, weil jede Innovation am Anfang teuer ist.

    ….

    SPIEGEL: Gibt es denn in der Industrie überhaupt Nachfrage nach grünem und damit teurem Zement?

    Von Achten: Ja. Noch gibt es ja keinen CO2-freien Zement, außer Sie lösen das über Kompensationszahlungen, und das lehnen wir ab.
    Schon für Zement mit reduziertem CO2-Fußabdruck ist die Nachfrage höher als das Angebot. In der Anlage in Norwegen werden wir über 500.000 Tonnen dekarbonisierten Zement pro Jahr produzieren. Der Markt braucht jedoch jährlich mehr als vier Milliarden Tonnen. Daran sehen Sie, dass Zement, wenn man ihn nachhaltig produziert, plötzlich eine seltene Erde wird.

    SPIEGEL: Sollten wir uns angesichts solcher Zahlen nicht darauf einstellen, schlicht weniger zu verbrauchen?

    Von Achten: Das ist so. Einer der Pfeiler unserer Strategie ist, den Material­einsatz zu reduzieren. Ein paar Kilo­meter von hier entfernt steht Europas größtes 3D-Druck-Gebäude, das mit bis zu 70 Prozent weniger Material auskommt. Da stecken unsere High­techbaustoffe drin. Das war in der Vergangenheit vielleicht anders, aber heute wird nicht nach gelieferten Tonnen bezahlt, sondern nach dem Wert, den wir schaffen, insofern ist das für uns genauso lukrativ.

    …. “

    —-

    Mein Kommentar: Die 54.434 Tonnen CO2, die der Bau der Siedlung “Möckernkiez” womöglich (mindestens) verursacht hat, mal den genannten 200 Euro Klimakosten (laut Umweltbundesamt, siehe oben) macht

    10.886.800 Euro, mithin etwa 21.773 Euro pro Wohnung und Gewerbeeinheit.

    —-

    Was ist nun mit der “Urbanen Mitte”, bei der

    “ …. laut dem Entwurf für den Bebauungsplan vorgesehen sei, dass nach Schaffung von Baurecht ein Realisierungswettbewerb stattfinden soll, mit dem Lösungen zu treibhausgas-neutralem bzw. sogar treibhaus-negativem Bauen gefunden werden sollen. …” ?

    Ich schrieb am 10.8.23 deswegen an Dr. Kempf. Die „Urbane Mitte“ in Berlin wird auch unter seiner Mitwirkung entwickelt.

    ( https://www.dle.ag/de/team/ Dr. Simon Kempf, Geschäftsführer DLE-Land-Development GmbH)

    Meine Email: “ ….

    Es fand …. ein Treffen am Bauzaun statt über das der rbb berichtete:

    „Aktionstag gegen Hochhausbebauung am Gleisdreieck“
    06.08.2023 ∙ rbb24 ∙ rbb Fernsehen

    ….

    In diesem Beitrag werden von einer Architektin Zweifel geäußert ob derzeit überhaupt CO2-neutral gebaut werden kann.

    Der Baustadtrat Florian Schmidt nannte auf Nachfrage im rbb nur die Maßnahmen:

    – Regenwassernutzung

    – Cradle-to-Cradle

    – Nachhaltigkeitszertifizierung

    Ich kam deshalb auf die Idee Sie anzuschreiben, um Sie als zentralen Akteur des Immoblienentwicklers um Informationen zu bitten:

    Könnten Sie evtl. genauere Angaben machen zur geplanten CO2-Neutralität der Urbanen Mitte?
    …. “

    Herr Dr. Kempf antwortete mir am 16.8.23:

    “ ….

    Wir als DLE fördern und unterstützen eine ganze Reihe von großen Projekten, bei welchen die deutliche Reduzierung von CO2 bei Errichtung und vor allen Dingen während des Betriebes der Gebäude für uns ein sehr wichtiges Ziel ist.

    Im Projekt Urbane Mitte gibt es Ansprechpartner, an die ich Ihre Fragen gerne weitergeleitet habe. Ich bitte um Verständnis, dass aufgrund der aktuellen Urlaubszeit eine Antwort etwas länger dauern kann.
    …. “

    —-

    Über eine Antwort werde ich an dieser Stelle berichten.

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