Der am 31. Januar beschlossene Antrag im Wortlaut

Dringlichkeitsantrag

Die BVV möge beschließen:

Die Erkenntnisse aus der vom Bezirksamt veranlassten Rechtsprüfung zum städtebaulichen Rahmenvertrag zum Gleisdreieck aus 2005 durch die Kanzlei GGSC vom 22.12.2023 ermöglichen eine städtebauliche Anpassung der bisherigen Planungen durch die Bezirksverordnetenversammlung und haben dementsprechend Einfluss auf das weitere Verfahren.

Eine Planungsvorgabe durch den Entschädigungsmechanismus aus dem Rahmenvertrag von 2005 als Grundlage für die Beschlussfassung der BVV ist unwirksam. Eine Entschädigungspflicht gegenüber der Grundstückseigentümerin ergibt sich bei abweichender Planung insbesondere in Hinblick auf die im Rahmenvertrag fixierte Art und das Maß der Bebauung nicht.

Damit ist der BVV als entscheidungsgebendes Gremium in der Verantwortung, das Vorhaben nach städtebaulichen Kriterien zu prüfen und in einem ergebnisoffenen Prozess unter Einbeziehung von fachkundigen Expert*innen und der Zivilgesellschaft die Planung der Bebauung den aktuellen Bedarfen (z.B. bezahlbares Wohnen, soziale Infrastruktur, Grünflächenerhalt) und klimapolitischen Notwendigkeiten anzupassen.

Dieser Meinungsbildungsprozess kann z.B. durch die Einberufung einer zweiten Sitzung des Runden Tisches Urbane Mitte, ein Werkstattverfahren oder eine Anhörung von externen Expert*innen durch die BVV bzw. den zuständigen Fachausschuss erfolgen.

Das Bezirksamt wird beauftragt, im Anschluss an diesen Prozess, den aktuellen Entwurf des Bebauungsplans VI-140cab für das Baufeld Süd entsprechend zu überarbeiten und an die von der BVV zu beschließenden Kriterien anzupassen.

Begründung:

Die Bezirksverordnetenversammlung begrüßt das Ergebnis der vom Bezirksamt beauftragten Rechtsprüfung. Das Ergebnis stärkt die Position der Bezirksverordnetenversammlung als Entscheidungsgremium bei B-Planverfahren.

Das Gutachten stellt fest, dass der im Rahmenvertrag zur „Urbanen Mitte“ vom 27.09.2005 formulierte Entschädigungsmechanismus unwirksam ist, wonach der Eigentümerin im Fall einer erheblich zu ihrem Nachteil von den formulierten Nutzungs- und Entwicklungszielen des städtebaulichen Rahmenvertrages abweichenden Bebauungsmöglichkeit ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich entsprechend §§ 42 ff. BauGB“ zustehen soll.

Es ist angesichts des Wortlauts der Ziff. 11 des städtebaulichen Rahmenvertrages sowie der hierzu getätigten Aussagen der Vertragsparteien nicht möglich, die „Ausgleichsregelung“ im Sinne einer reinen Entschädigungspflicht auszulegen. Die Entschädigungsregelung verstößt gegen das Verbot der unzulässigen Planbindung gemäß § 1 Abs. 3 S. 2, 2. Halbsatz BauGB. Denn sie begründet die Gefahr, dass sich die Bezirksverordnetenversammlung bei ihrer Entscheidung über die Abwägung der privaten und öffentlichen Belange im Rahmen der Beschlussfassung über den Bebauungsplan VI-140cab maßgeblich von der bei Abweichung vom vertraglichen Nutzungskonzept drohenden Schadensersatzpflicht leiten lässt und damit das Ergebnis der Planung bereits vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Abwägung durch die Bezirksverordnetenversammlung fest steht. Die Regelung ist nicht rechtmäßig, weil der Grundsatz der unzulässigen Vorabbindung der Planung nicht gewahrt wurde.

Vielmehr gibt der städtebauliche Rahmenvertrag Art und Maß der baulichen Nutzung bereits mit gewisser Verbindlichkeit für das Bebauungsplanverfahren vor. Es handelt sich folglich bei den beabsichtigten Festsetzungen nicht um eine ergebnisoffene Abwägung, sondern um eine rein arithmetische „Ableitung“ aus dem städtebaulichen Rahmenvertrag.

Der im Rahmenvertrag enthaltene Mechanismus, dass Berlin der Eigentümerin einen finanziellen „Ausgleich“ leisten muss, hat sich in den Jahren nach Abschluss des Rahmenvertrages stark verdichtet, so dass Art und Maß der baulichen Nutzung für die „Urbane Mitte“ faktisch bereits festzustehen schienen. Die drohenden hohen Entschädigungszahlungen prägten die öffentliche Debatte und die Meinungsbildung in der Bezirksverordnetenversammlung. Insoweit wäre es abwägungsfehlerhaft, wenn sich die Bezirksverordnetenversammlung von einer durch die „Ausgleichspflicht“ nach Ziff. 11.1.3 Satz 2 des städtebaulichen Rahmenvertrages vermittelten Vorabbindung des Planungsermessens im Sinne eines durch eine Schadensersatzpflicht gesicherten Anspruchs der Eigentümerin auf die Festsetzung eines Kerngebiets mit einer Geschossfläche von 119.000 m2 leiten ließe. Denn weder hat der städtebauliche Rahmenvertrag das Planungsermessen der Bezirksverordnetenversammlung vorab zulässig gebunden, noch eine wirksame Schadensersatzpflicht für einer von den Nutzungs- und Entwicklungszielen des Vertrages abweichenden Planung begründet.

Allgemein gilt, dass, je gewichtiger die zu berücksichtigenden öffentlichen Belange sind, die für eine geringere bauliche Ausnutzung der Grundstücke der „Urbanen Mitte Süd“ sprechen, als sie das „Nutzungs- und Entwicklungskonzept“ des städtebaulichen Rahmenvertrages vorsieht, desto mehr können sie sich gegenüber dem privaten Interesse der Grundstückseigentümerin an der Umsetzung des im städtebaulichen Rahmenvertrag avisierten Baurechts durchsetzen, ohne den Grundsatz gerechter Abwägung zu verletzen.

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